Holiday am Wörthersee

Von Dieter A. Graber
HANAU. Das Schlosshotel Seefels kann mit fünf Sternen aufwarten. Es liegt am Wörthersee, dort, wo der Herrgott eine romantische Kulisse in die Kärntner Landschaft gezaubert hat, wo sich der Blick des Betrachters übers türkisblaue Wasser in den grau schimmernden Felsmassiven der Karawanken verliert. Deshalb ist es nicht einfach nur eine Edelherberge, das Seefels, nein, Relais & Châteaux Hotel darf es sich nennen und stolz sein auf seine illustren Gäste: Michael Douglas, Jon Bon Jovi, David Alaba. Heute erzählt die Verdeckte Ermittlerin Ayse von ihrem gemeinsamen Wellnessurlaub mit Banu D. in dem Luxustempel mit „Verwöhn-Garantie“ (Eigenwerbung), übrigens bezahlt vom Bundeskriminalamt.
Um es kurz zu machen: Der All-Inclusive-Trip, ein Geschenk von VE3 (Errol) an Banu D. zu deren 30. Geburtstag, war keinerlei Ermittlungsziel geschuldet. Richter Peter Graßmück zeigt sich denn auch ein wenig überrascht: „Machte das denn Sinn? Es war doch mit erheblichen Kosten verbunden.“ Immerhin stand Banu D. damals noch nicht unter Verdacht. Sie war keine Zielperson. Ayses Begründung wirkt prompt etwas bemüht: „Es diente der Aufrechterhaltung der Freundschaft.“ Aber vielleicht hätten die Kerle auch einfach nur mal Ruhe vor den Mädels haben wollen, mutmaßt sie sinngemäß dann noch treuherzig. Sturmfreie Bude also. Errol und Lutz allein zu Haus.
Zwischen Massage, Barbesuch und Kaffeehausplausch nutzte die Fahnderin dann jede sich bietende Gelegenheit, um heimlich Gesprächsnotizen anzufertigen. Mit ihrem Mobiltelefon, sagt sie. Manchmal auch auf Zetteln. Die seitens Ayse geschickt gesteuerten Plaudereien unter Freundinnen füllen am Ende einen langen Amtsvermerk, den sie, ehe er offiziell in die Akten eingeht, mit Josef K., ihrem VE-Führer, abspricht. So entsteht ein Sammelsurium an Intimitäten, an kleinen Geheimnissen, an höchst Privatem, das ihr Banu D. nichts ahnend anvertraut. Vielleicht heiligt so mancher Zweck viele Mittel. Vielleicht auch in diesem Fall. Hässlich ist es gleichwohl, einen Menschen auf solche Weise bloßzustellen.
Da verrät Banu D. zum Beispiel ihre kleinen Tricks, mit denen sie Lutz H. seine Safaris „ausredet“ („Küsse und viel Zärtlichkeit“), da spricht sie von ihren Zukunftsplänen (Auswandern nach Afrika) und davon, dass sie sich ein Kind von ihm wünsche. Ja, Liebe muss es gewesen sein, zumindest ihrerseits, die Liebe zu einem zweiundzwanzig Jahre älteren Mann, eine Verbindung, über die sich ihre Familie mokiert, an der sie gleichwohl unbeirrt festhält. Durchaus möglich, dass Lutz H. eine Vaterfigur darstellte für die junge Frau, die, wie Ayse süffisant anmerkt, von einer „kindischen Art“ sei. Man könnte auch von Naivität sprechen, etwa, wenn sie seine goldene American-Express-Karte per se für einen Ausweis besonderen Wohlstands hält: „Die haben nur die Reichsten der Reichen“. Sie dürfte zu ihm aufgeblickt, ihn bewundert haben, und so wird ihre erwachte Jagdleidenschaft, ihre Begeisterung für Feuerwaffen und für das Leben in der Natur, für „das Echo eines Schusses im nächtlichen Wald“, von dem sie begeistert berichtet, nichts weiter gewesen sein als die schwärmerische Annäherung an ein Idol.
Ohne ihn, den Lutz, scheint sie unsicher zu sein, ein wenig gehemmt. Das imposante Luxushotel macht ihr Angst beim ersten Anblick. Sie fühlt sich unpassend gekleidet. Am Wellnessangebot des Hauses mit Felsen-Spa und Salz-Infrarotraum ist sie wenig interessiert. Bei einem Ausflug ins acht Kilometer entfernte Velden, der für sie wie ein erholsamer Abstecher in ihre eigene Lebenswirklichkeit gewesen sein muss, erinnert sie sich, redselig geworden, an ihre Vernehmung durch Staatsanwältin Fauth, zwei Tage nach dem Gallienstraßenmord: „Ich musste aufpassen, was ich sagte, aber ich wusste ja, dass er [Lutz H., d. Red.] es nicht war.“ Ein weiterer dieser Sätze, die später, wie in Stein gemeißelt, im Amtsvermerk auftauchen. Aber was bedeutet er? Dass sie damals gelogen hat? Dass sie selbst die Täterin ist?
Banu D. liebte es, sich ihre eigene Welt zu schaffen, mit kleinen Schwindeleien, mit einer eigenen, bisweilen schrägen Sicht auf die Dinge. Ihr Verteidiger Torsten Fuchs hat vieles wieder gerade zu rücken, was, aus dem Zusammenhang gerissen, als mögliches Indiz für einen Verdacht gegen seine Mandantin herhalten könnte. Die Sache mit dem „Suizidversuch“ zum Beispiel: War die Schnittverletzung an ihrem linken Handgelenk tatsächlich Folge eines Unfalls, wie sie behauptete, oder durch ein scharfes Werkzeug hervorgerufen? Banu D. gibt an, sich die Wunde selbst genäht zu haben … Wahrheit oder Märchen? Und, noch wichtiger: Welche Schlüsse soll die Strafkammer daraus ziehen? Und so wirft die höchst spesenintensive „Aktion Wellnessurlaub“ zu guter Letzt mehr Fragen auf, als sie beantwortet.
Ach ja, was trieben eigentlich Errol und Lutz, als ihre Damen am Wörthersee weilten? Davon demnächst in diesem Theater.